Mittwoch, 14. März 2012

Peynir...


…heißt Käse. Und wenn man es lang genug ausspricht, zeichnet sich auf dem Gesicht ein breites Grinsen ab, ähnlich dem englischen Pendant „Cheese“. Von Käse wird in meinen letzten Tagen an der Schule viel gesprochen: Ich mache nämlich Fotos von meinen Klassen und überhaupt von allem, das irgendwie Teil meines Alltags war. Die Mitteilung, dass dies meine letzte Woche sei, stieß bei allen Kindern gleichermaßen auf Ablehnung. Für mich völlig unerwartet tat die erste Klasse am Dienstagmorgen (4A) lautstark ihren Widerspruch kund, ein Mädchen fing sogar an zu weinen. So ähnlich setzte sich das fort: In jeder Klasse gibt es einige Kinder, die mich besonders mögen (eben jene, die mir in meiner Pause bis auf die Toilette folgen und meinen Namen umrahmt von Herzen an die Tafel kritzeln, sobald ich den Tafelstift eine Sekunde aus den Augen lasse) und von denen werde ich am Ende der Stunde umringt. Ich musste gefühlte 100 Wangen küssen und Umarmungen verteilen. Einige haben allerdings harter protestiert und von mir eine Erklärung gefordert: Warum musst du gehen? Kannst du nicht bleiben? Wann kommst du wieder? Und alles was ich in meinem schwachen Türkisch darauf antworten kann ist: Ich muss. Nein. Vielleicht in einem Jahr.
Jetzt sind sie also fast vorbei, meine 4 ½ Monate in der Nachmittagsschule. Ich habe 8 Klassen mit insgesamt um die 100 Schüler unterrichtet, grob überschlagen waren es 140 Schulstunden. Ich habe die Grundvokabeln des Englischunterrichts durchgenommen: Zahlen, Farben, Klassenraum, Körper, Tiere, Essen und erste Verben. Ich hatte harte Schulstunden, wirklich, wirklich harte, in denen mich umdrehen und fluchtartig den Raum verlassen wollte. Bei  Klasse werde ich das Unterrichten nicht vermissen. Exemplarisch sei die 4C genannt, als Horrorklasse bekannt, kostete sie mich an jedem Dienstagnachmittag Geduld und Nerven. Beim Zusammenpacken meiner Materialien am Ende der Stunde kam mir jedes Mal der Ausspruch „Schön, wenn der Schmerz nachlässt“ in den Sinn. Schön, die Schule mit der Gewissheit zu verlassen, die Klasse eine ganze Woche nicht unterrichten zu müssen.
Vermissen werde ich die Kinder trotzdem: Ihr Enthusiasmus, die pure Freude, wenn sie eine Frage richtig beantworten können – und dürfen. Vermissen werde ich die Gespräche mit den Kindern, ihr verzweifelter Versuch mir etwas erzählen zu wollen. Ich werde das Gefühl vermissen, mich vor einen vollen Klassenraum zu stellen, noch nicht wissend, wie die Stunde enden wird: Werde die Kinder laut und unaufmerksam sein oder werde ich mit einem Lächeln den Raum verlassen, weil wir eine schöne Stunde hatten und ich den Kindern etwas vermitteln konnte?
Ich werde meine Kollegen vermissen, den Burak, ohne den ich ein ums andere Mal verloren gewesen wäre und der als mein ständiger Übersetzer fungierte. Es wird merkwürdig sein, nicht mehr mit meinen Kollegen zu essen, sondern mit Menschen, mit denen ich mich unterhalten kann. Ich bin mittlerweile daran gewöhnt, meine Gedanken abschweifen zu lassen, weil ich ohnehin kaum von den Gesprächen verstehe, an denen ich nicht teilnehme. Sprachbarriere in Reinkultur.
Die Kinder in meiner Schule waren vor allem laut, unerzogen und in ihrer Tobsucht nicht zu bremsen. Sie haben mich aber auch vom ersten Tag an ins Herz geschlossen – und ich sie.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen