Mittwoch, 14. Dezember 2011

Künstliches Eis

Heute stand mit der Schule ein Zoobesuch auf dem Plan. Um den Bus rechtzeitig zu bekommen quälte ich mich im Dunkeln aus dem Haus - nur damit mir dann in der Schule gesagt wurde, dass unser Fahrer einen Unfall gebaut hatte und deswegen ein anderer kommen würde. Allerdings: Es war das erste Mal, dass mir von einem Unfall berichtet wurde. Bei der Fahrweise finde ich das durchaus erstaunlich. Eine halbe Stunde später fand ich mich dann aber in einem uralten Peugot-Bus wieder, dessen dröhnender Motor bei jedem Gasgeben mühelos das Radio übertöhnte.
Im Zoo wurde ich dann gemeinsam mit den Kindern in einen dunklen, kalten Raum geschleust, wo ein Zoomitarbeiter einen langatmigen Votrag über Umweltverschmutzung und seltene Pflanzen hielt - jedenfalls glaube ich das, denn ich habe natürlich kein Wort verstanden. Eine weitere Mitarbeiterin führte uns anschließend im Laufschritt durch den Zoo. Er war nicht klein, auffällig war jedoch, dass die Tiere mitunter erstaunlich kleine Gehege hatten. Ich rannte hinter den enthusiatischen Kindern hinterher, die an jedem Gehege massenweise Fotos mit ihren Handys schossen. Ein Highlight war dabei sicher das Aquarium, dass sich als Ansammlung der hässlichsten Fische weltweit entpuppte. Etwas später durften die Kinder auf dem Spielplatz spielen und die "Eislaufbahn" ausprobieren. Überwältigt von einer plötzlichen Welle Weihnachtssehnsucht ließ ich mich überreden, mir ebenfalls Schlittschuhe anzuziehen und mit den Kinder auf die Bahn zu gehen. Kurz bevor ich das "Eis" betrat betonte ich natürlich noch einmal selbstbewusst, wie gut ich fahren könnte - nur um ich dann bei der ersten Berührung mit dem künstlichen Eis direkt auf die Nase zu legen. Das "Eis" stellte sich als Plastikschicht heraus, die es unmöglicht machte, irgendwie einen sicheren Halt auf den billigen Schlittschuhen zu bekommen. Hilflos klammerte ich mich an der Bande fest - den Kindern erging es übrigens nicht anders. Eine wenige versuchten mit Schwung über die Bahn zu fegen und fielen samt und sondern auf das Kunsteis.
Alles zusammen war es aber doch ein gelungener Ausflug - zumal ich meine türkisch (Tier-)Vokabeln live erproben konnte. Die Technik ist ganz einfach: Spreche ich ein Wort aus und mein Gegenüber beginnt heftig zu nicken, dann war das Wort richtig. Ernte ich verwirrte Blicke (kommt leider öfter vor), dann war das Wort, der Kontext, meine Aussprache oder alles zusammen falsch und ich stottere so lange vor mich hin, bis ich das Gefühl habe, mein Gegenüber hat eine ungefähre Ahnung davon, was ich ihm eigentlich mitteilen wollte.

Nach einer wirklich langen Reise (mehr als fünf Wochen) ist heute das Paket angekommen, das meine Mutter mir als erstes geschickt hat: Erste Rationen Filterkaffee, Weihnachtsschokolade - und ein kleiner blinkender Plastiktannenbaum, den ich gemeinsam mit meinem kleinen Gastbruder aufgebaut und mit Plastikkugeln geschmückt habe. Nun steht er auf dem Wohnzimmertisch, blinkt fröhlich in bunten Farben und bringt ein bisschen Weihnachtsstimmung ind das ansonsten weihnachtslose Istanbul. Am Wochenende habe ich gemeinsam mit Nina den bayrischen Weihnachtssender gehört, der altbekannte Weihnachtsklassiker in Dauerschleife spielt. Was soll ich sagen - es fühlte sich an, als würde man die Lieder mitten im Frühling spielen... Dieses Jahr fällt Weihnachten für mich einfach aus - und hier in Istanbul merke ich es nicht einmal. Nur hin und wieder wird mir bewusst, dass in nicht einmal zwei Wochen Heilig Abend ist: Wenn ich bei Starbucks einen Pappbecher mit Rentierdruck bekomme oder an einem Schaufenster vorbeilaufe, aus dem mich ein Plastiktannenbaum oder ein hässlicher, singender Weihnachtsmann entgegenlächelt. Letzeres kommt allerdings sehr selten vor.

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