Mittwoch, 15. Februar 2012

Mein Kampf

Ich habe ja schon einmal erwähnt, dass die Multimedia-Tafel in meinem Klassenraum gegen mich ist. Wahrscheinlich ist das kein spezieller Hass gegen die Aushilfslehrerin aus Deutschland, die in den ersten Wochen wie eine Irre auf der Oberfläche herum gehämmert hat und ständig den Stift fallen lässt. Wahrscheinlicher ist, sie hasst Benutzer generell; Lehrer dieser Schule im Speziellen. Aber das wusste bisher ja keiner außer mir. Bisher galt: Einer gegen einen; ich gegen die Tafel - eine Horde unruhiger Schüler im Nacken.

Heute dann hat sie den Geist aufgegeben, hat den Dienst verweigert und ihr verwegener Komplize, ein schwarzer Standcomputer Modell XP, gleich mit. Immerhin war das Mitgefühl meiner Kollegin Mehtap auf meiner Seite, die gestern gezwungen war, an meiner Tafel zu schreiben. Herrlich, wie sie mir in wilder Zeichensprache zu erklären versucht hat, welche Macken das Gerät bei der Bedienung aufweist. Wusste ich allerdings schon längst. Habe Abwehrstrategien entwickelt, die ich aber nicht an sie weitergegeben habe. Das ist mein Kampf!
Heute dann aber verschärfte Bedingungen: Ausgerechnet in der gefährlichen zweiten Unterrichtshälfte (siehe Aufmerksamkeitsspanne bei Drittklässlern) quittierte die Tafel den Dienst. Hinter mir zwölf hibbelige Kinder, fünf hielt es kaum auf ihren Stühlen. 
Mein Unterrichtsmaterial: Auf dem Rechner. 
Übrige Zeit, die zu überbrücken war: 30 Minuten.
Übersetzer, der Spiele erklären könnte: Außer Haus.
Willkommen in meinem Alltag.
Vor drei Wochen war eine Gruppe amerikanischer Referendare in der Schule und hat die Kinder in Englisch unterrichtet. Hıdır war dabei, hat übersetzt und unterstützt. Nebenbei hat mich eine der jungen Frauen gefragt, wie denn mein Unterricht gewöhnlich aussehen würde. Ich werde ihr unglaubwürdiges Gesicht nicht vergessen, als ich ihr erzählt habe, dass ich weder Englisch, noch Lehramt studiere, kein Türkisch spreche und auch keinen Übersetzer habe. Und das bei diesen Kindern! Ihr Fazit: „You are brave“ – „Du bist mutig.“

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