Dienstag, 31. Januar 2012

Auf nach Athen

Morgen bin ich seit drei Monaten in der Türkei und es ist fast unheimlich, wie schnell die Zeit vergangen ist. Und pünktlich zum Ende der 90 Tage musste ich das Land verlassen, so will es das Visumsrecht der Türkei. Eine gute Gelegenheit also, um einen Kurztrip nach Griechenland zu unternehmen, genauer: Nach Athen. Traurige Nebenwahrheit: Ich habe mehr Zeit im Reisebus, als in Athen selbst verbracht. Und noch ärgerlicher: Ich hätte eine ganze Woche in Griechenlands Hauptstadt verbringen können, wenn meine Kollegen es für nötig befunden hätten, mir mitzuteilen, dass ich in dieser Woche frei habe. Es sind nämlich gleichzeitig Schulferien in der Türkei. Sei's drum: Ich habe einen kurzen Kurztrip nach Athen unternommen.

Die Fahrt hat immerhin 16 Stunden gedauert, war allerdings einigermaßen angenehm, denn die meisten Insassen sind direkt hinter der griechischen Grenze ausgestiegen (nicht viele setzten sich freiwillig für eine, das Sitzfleisch überfordernde Anzahl von Stunden in einen Reisebus). Für die Nacht waren dann nur noch fünf Leute plus Personal an Bord und ich konnte mich auf drei Sitzplätze ausstrecken. Von einer bequemen Liegeposition zu sprechen, wäre dennoch glatt gelogen. Aber apropos Grenze: Die wahren Vorzüge der Grenzfreiheit in der EU wird einem bewusst, wenn man von der Türkei nach Griechenland fährt. Die ganze Passkontrolle hat weit über eine Stunde gedauert: Alle Passagiere mussten aussteigen (bei gefühlten Minus 10 Grad und scharfem Wind), ihre Pässe abgeben, in der Kälte warten und wieder einsteigen. Das ganze Prozedere wartete nicht nur an der türkischen, sondern auch an der griechischen Grenze auf uns...

Auf der Akropolis
In Athen verlief ich mich als erstes, wohl weil ich in einem Anflug von Verwirrtheit die Metro in die falsche Richtung nahm. Sich in Athen zurechtzufinden war dann aber doch leichter als erwartet: Mit der Metro kommt man zu allen wichtigen Plätzen in der Innenstadt und mit drei verschiedenen Linien ist deren Angebot gut überschaubar. Ich legte eine kurze Pause am Syntagma-Platz ein und fuhr dann mit einem Touri-Bus zur Akropolis hinauf. Das Wetter: Eine graue Brühe. Immerhin nieselte es nur dann und wann, ohne dabei in einen ausgewachsenen Regenschauen überzugehen. Dank des bewölkten Himmels war der Ausblick nicht so berauschend wie üblich, aber dennoch beeindruckend. Durchbrochen von Bergen erstreckt sich in alle Richtungen das lückenlose Häusermeer Athens.
Um die Akrpolis herum lässt sich eine Vielzahl weiterer Ausgrabungsstätten wiederfinden und ich verbrachte zwei Stunden damit, zwischen jahrtausende Alten Ruinen umherzuspazieren und schoss dabei an die hundert Fotos. 
Auf dem Weg zu meinem Mittagessen fiel es mir zum ersten Mal auf. Es war zwei Uhr und die Glocke der kleinen Kirche läutete die Uhrzeit und ganz plötzlich wurde mir klar: Hier würde ich keinen Muezzin rufen hören. So seltsam es klingt: Obwohl ich erst seit drei Monaten in Istanbul bin, habe ich die Stadt bereits vermisst. Ich habe dann und wann aus Versehen versucht, türkisch mit den Griechen zu sprechen, weil ich mich schon so sehr an die geläufigen Redewendungen aus dem türkischen gewöhnt habe. 
Griechen und Türken sind sich indes so unähnlich nicht - auch wenn beide es ungern offen zugeben. Das Zusammenleben der beiden Völker für hunderte von Jahren hat ihre Spuren hinterlassen. Am deutlichsten wird das beim Essen. Die griechische und türkische Küche sind sich sehr ähnlich. Bestelt man beispielsweise Suflaki mit Hühnchenfleisch, dann bekommt man Hähnchen Kebab. Auch auf den Straßen wird verkauft, was für mich aus dem Straßenbild Istanbuls nicht wegzudenken ist: Röstkastanien, Mais und ein Simit-ähnlicher Teigkringel aus weichem Weißbrot, das ein bisschen süßlicher und fluffiger ist als der Simit. Selbst das traditionell türkische Wintergetränk Selap (schmeckt wie flüssiger Milchreis), lässt sich auf den Straßen wiederfinden. Und über die Ähnlichkeit von Ouzo und Raki muss kein Wort mehr verloren werden. 
In den Straßen von Athen
Den restlichen Tag über bin ich mit dem Touribus an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten vorbeigefahren, bin ein bisschen durch die Straßen gewandert, habe mich mit einigen Griechen unterhalten und bin dann zu meinem Host gefahren. Ich hatte das Glück, die Nacht bei einem wunderbaren Host namens Aris zu verbringen. Ein sehr interessanter junger Grieche, der selbst schon für mehrere Jahre in England und Japan gelebt hat. Er ist die Sorte Mensch, mit denen man sich auf Anhieb versteht und wir haben lange geredet, sind gemeinsam ein Bier trinken gegangen und er hat mir auf einem Nachtspaziergang die schönsten Plätze in seiner Nachbarschaft gezeigt. Nach dem Frühstück am nächsten Morgen musste ich dann leider schon wieder gehen und habe mich wirklich geärgert, nur eine solch kurze Zeit in Athen verbringen zu können.
Das Parlament und ein Wachsoldat
Am Sonntag habe ich das Ärchaologische Museum besucht. Sicherlich sehr interessant, aber irgendwie auch ermüdend. Ich musste mir immer wieder vor Augen halten, dass die grob zerstörten Marmorbrocken vor meinen Augen ein jahrtausende altes Kulturerbe darstellen. Aber spätestens in der schier unendlichen Ausstellung von antiken Vasen (ungelogen: aberhunderte!), geriet ich an die Grenzen meines Aufmerksamkeitsvermögens. Stattdessen spazierte ich noch etwas durch die Stadt, sah mir das griechische Parlament und die "Evzonen" genannten Wachsoldaten an; lief durch den Nationalpark und durch das Viertel Pera und schlussendlich zurück zu meiner Busstation. 

Beim Aussteigen in Istanbul fühlte ich mich merkwürdig heimisch und war froh, wieder zurück zu sein. In Istanbul hat es seit Freitag allerdings nicht zu schneien aufgehört und die ganze Stadt ist zugeschneit. Die Verwendung und Funktion von Streusalz scheint den Türken nicht geläufig zu sein. das Haus zu verlassen ist im Augenblick eine anstregende und nervenaufreiende Angelegenheit, einfach weil man keinen Schritt tun kann, ohne nicht Gefahr zu laufen, sich auf die Nase zu legen...
Im Stadtviertel Pera

Freitag, 20. Januar 2012

Tante, lass mich dir helfen

Mitte Januar ist der Winter nun auch in Istanbul angekommen. Die Temperaturen haben den Gerfierpunkt erreicht und die Istanbuler durften sich über Schnee freuen. Zwar ist auch Bremen keine schneeverwöhnte Stadt (wahrscheinlicher als Schnee ist meist Graupel, jene unschöne Kreuzung von Schnee und Regen, bei der statt weißen Pracht nur grauer Matsch den Boden erreicht), in Istanbul schneit es aber noch seltener. Manchmal nur einmal im kurzen Winter, in einigen Jahren überhaupt nicht. Dementsprechend irrational ist das Verhalten der Menschen, die ihre Freude über Schneeflöckchen-Weißröckchen kaum verbergen können. Die Kinder kratzen bereits die ersten dünnen Schichten von den Autos, die nicht sofort weggeschmelzen und holen zu ausgiebigen Schneeballschlachten aus (als Ergebnis, fing mein Gastbruder sich eine gehörige Erkältung ein). Von einem Schneesturm ließ sich am letzten Montag indes nicht sprechen. Aufgerundet kamen vielleicht zwei Zentimeter Schnee vom Himmel - und trotzdem brach der Verkehr zusammen, was einerseits einiges über das häufig erwähnte Verkehrsproblem in dieser Stadt aussagt, andererseits aber auch über die Anfälligkeit der Verkehrsführung, bei atypischer Wetterlage. Wie auch bei Regenwetter, verwandelt sich bei niedrigen Temperaturen mein Schulweg in einen Spießrutenlauf: Geräumte Straßen gibt es kaum; Fußgängerwege verwandeln sich in Eisflächen. Als Ergebnis habe ich mich bisher mehr als einmal dramatisch auf die Nase gelegt.

Als Burak mich bei leichtem Schneeregen zu meinem Abendkurs fuhr, bemerkte er leicht enttäuscht: "Dich kann der Schnee scheinbar überhaupt nicht beeindrucken." Wahrscheinlich erwartete er von mir, dass ich ihm als Antwort von der Schneepracht im deutschen Lande erzähle. Stattdessen antwortete ich wahrheitsgemäß: Kaltes Wetter, Schnee und Eis, generell der Winter mit seiner unfreundlichen Metereologie treffen bei mir generell auf Ablehung. Bisher ließ es sich in Istanbul gut überwintern: Mildes Wetter, mit viel Sonne. Häufig rund zehn Grad wärmer als in Bremen. Auf den Kälteeinbruch hätte ich deshalb gut verzichten können.

Es ist ausgerechnet dieses Wetter, das sich meine Mutter und Großmutter für einen Besuch in Istanbul ausgesucht haben. Und sie haben mit großem Geschick ausgerechnet die kälteste Woche des Jahres abgepasst. Nun kann meine Oma nicht mehr gut laufen und muss im Rollstuhl geschoben werden. Das ist auch bei gutem Wetter eine Angelegenheit für sich, denn man kann über Istanbul einiges sagen, doch behindertengerecht ist die Stadt definitiv nicht. Meine Gastmutter stellte einmal trocken fest: Behinderte Menschen bleiben in dieser Stadt in ihren Wohnungen. Rausgehen können sie jedenfalls nicht allein.
Alten und behinderten Menschen, aber auch allen anderen mit einer körperlichen Beeinträchtigung, macht Istanbul das Leben schwer. Die Fußgängerwege sind uneben, mit großen Löchern und hohen Kantsteinen. Oder sie sind schmal mit holprigen Pflastersteinen. Istanbuls Straßen erinnern nicht selten an Berg- und Talfahrten, so steil sind die Abhänge. Wenn ich daran denke, die oft ich außer Atem bin, weil ich wiedereinmal über eine Straßen rennen, eine mörderische Treppe erklimmen oder während der Fahrt aus einem Minibus springen musste - dann wundere ich mich, wie diese Menschen in Istanbul überhaupt zurecht kommen. 
Die Istanbuler meinen es immerhin gut und bemühen sich, um einen Ausbau der Barrierenfreiheit. Es gibt Türen für Rollstühle und Rampen. Immerhin war der Eintritt in den Topkapi Palast (dem gut erhaltenen Sultanspalast im Herzen der Altstadt) für meine Großmutter und meine Mutter als Begleitung umsonst. Dennoch: Die Rampen im Inneren des Palastes waren rar, steil, die Türen zu schmal und die meisten Räume begrüßten uns mit einer hohen Stufe an der Eingangstür. Der ganze Besuch wurde für uns drei zu einer schweißtreibenden Angelegenheit. 
Es ist trotzdem schön, die beiden hier zu haben und mit genügend Zeit, lässt sich jedes Problem lösen. Also steht meine Großmutter auf und läuft mit kleinen, langsamen Schritten - aber sich trotzig weigernd aufzugeben - einen 500 Meter Berg hinauf. Manchmal muss sie eine kleine Stufe nehmen und sofort kommen von allen Seiten Türken hergeeilt, die sie "Teyze"-Tante nennen (familiäre Bezeichnungen gegenüber Fremden sind sehr gängig und sollen freundliche Nähe vermitteln) und ihr helfen wollen. Hilfreiche Hände halten ihre Arme oder hieven den Rollstuhl über eine Stufe und meine Oma freut sich und sagt immer wieder "Danke, danke".

Dienstag, 10. Januar 2012

Reinemachen

In der Türkei scheint es für alles einen extra Job zu geben. Ein gutes Beispiel sind Restaurants und Cafés: Für mich, die ich gewöhnlich brav mein Tablett abräume und in den Geschirrständer schiebe, war es anfangs eine Umstellung, meinen Tisch zugemüllt zu hinterlassen. Selbst in den einschlägigen Fast-Food-Resatutrants (wie dem, mit dem großen gelben M), in denen man (jedenfalls in Deutschland) die Tabletts mit den Plastikverpackungen wie selbstverständlich abräumt (auch weil man sonst mit den bösen Blicken der einheitlich unschick gekleideten Mitarbeitern gestraft wird), bleiben die Tabletts auf den Tischen. Die Geschirrständer sucht man allerdings auch vergebens. Stattdessen flitzt überall dort, wo man sich zum Essen und Trinken niederlassen kann, ein flinker Jemand umher, der dreckiges Geschirr und Müll von den Tischen pflückt. Von der Mensa der Technischen Uni wurde mir berichtet: Die Studenten sind hier zwar durchaus angehalten, ihre schmucklosen Essenstabletts (ein Blecktablett mit Mulden für die verschiedenen Gänge, Stichwort: Hundeschüssel) abzugeben - trotzdem gibt es Personal, das den Plastikmüll der Brotverpackungen von den Tischen sammelt. Während dem Essen versteht sich - zwischen Mulde eins und Mulde zwei greift blitzschnell eine Hand über der Schulter und schwupp ist die Brotverpackung futsch. 
Es gibt viele Jobs, die man in Deutschland nicht kennt: Die freundlichen Herren vor den Restaurants, die dich wortgewandt zum Einkehren überreden wollen; Personal, das vor einigen besonders dicht beparkten Straßen breitsteht, um den Kunden beim Einparken zu helfen und - ein besonderer Service - an den Tankstellen stehen nette Menschen, die das Tanken übernehmen. Nie wieder Ärger mit dem Tankdeckel - ein Traum wird wahr! Auch Putzpersonal scheint es reichlich zu geben, in meiner kleinen Schule gleich zwei Personen. Und die führen den Kleinkrieg fort, den die Putzfrau im Haus meiner Gasteltern begonnen hat: Aus einem mir unerfindlichen Grund wollen sie immer dort putzen, wo ich grade sitze - und scheuchen mich deshalb unaufhörlich von einem Raum zum nächsten. Obwohl beide sehr nett sind, ist bezüglich der Putzfrage eine Hassliebe erkeimt. Ihre Augen blitzen, wenn sie mit erhobenem Feudel an der geöffneten Tür erscheinen und ich kann an ihrem Lächeln ablesen, dass sie mich im nächsten Moment in unverständlichem Türkisch aus dem Raum komplimentieren werden. Widerstand zwecklos. Mit dem gleichen fiesen Grinsen stehe ich dann aber üblichweise an der Tür - bereit den Raum zu entern, sobald der Feudel sich hebt.
Heute stürmte eine ganze Battailonne Putzleute die Schule, putze die dunklen Ecken, die Treppen und alle Fenster. Der Grund: Der Bürgermeister von Kadiköy erweist uns morgen die früh die Ehre seines Besuches. Ich wurde denn auch gleich vier Mal gefragt, ob ich morgen da sein werde, um ihn zu treffen. Werde ich. Und ich kanns kaum erwarten...

Montag, 9. Januar 2012

Surreal

Trotz eines grauen, regnerischen, wolkenverhangenen Himmels habe ich dem Drang widerstanden, den Tag im Bett zu verbringen und hab mich auf den weiten Weg gen Europa gemacht, um das Istanbul Modern, das Museum für Moderne Kunst zu besichtigen. Die Hinfahrt nahm gewohnte Zeit in Anspruch: Eine Stunde Minibus (weil der Fahrer mit nervenaufreibender Langsamkeit vor sich hintuckelte), eine halbe Stunde Fähre und dann ein zwanzigminütiger Fußmarsch, der von der Fähre aus sehr viel kürzer gewirkt hatte. Immerhin musste ich dabei über die Galata Brücke und das führte mir ein Gespräch ins Gedächtnis, dass ich vor kurzem mit deutschen Erasmusstudenten geführt habe: Wenn nämlich Freunde von daheim zu Besuch kommen, fallen ihnen die kleinen Schrullen und Merkwürdigkeiten der Türken auf, die uns am Anfang auch komisch vorkamen, die uns aber ganz allmählich nicht mehr auffallen. Die Funktion der öffentlichen Verkehrmittel ergibt mittlweile einen Sinn, der Penetranz der Markschreier begegnet man mit einem leichten Kopfhochziehen. Andere Sachen erklären sich einfach nie, beispielsweise die Tatsache, dass beim Frühstück traditionell keine Teller verwendet werden. Stattdessen wird der ganze Tisch mit Krümmeln bedeckt und dann wieder und wieder mit Papiertücher abgewischt, bis alle Krümmel im Mülleimer gelandet sind. Ließe sich durch Teller vermeiden - man benutzt sie trotzdem nicht. Könnte daran liegen, dass beim Frühstück Brot mit den Händen in Stücke gefetzt und dann zusammen mit Käse, Oliven, Tomaten, Gurken und anderem in den Mund gesteckt wird. Trotzdem: Eine unnötige, große Krümmellei, dessen Sinn sich mir nicht erschließen will.
Der Gedanke kam mir in den Sinn, während ich den Männer zusah, die von der Brücke aus nach Fischen angeln. An jedem Tag, zu fast jeder Tageszeit kann man sie dort stehen und angeln sehen, während geschäftige Passanten an ihnen vorbeigehen. Warum sie es tun (als Hobby oder um tatsächlich Fische aus dem Bosporus zu fischen), ist mir klar. Trotzdem: Wie sie so aufgereiht, dicht nebeneinander ihre Angeln vom Geländer hängen lassen, sieht ungemein schrullig aus. Zumal gleichzeitig reichlich freier Platz am direkten Flußufer vorhanden ist...

 



 




Nachdem ich weiter am Flussufer und in den Seitenstraßen umhergeirrt bin, während sich ein immer dichter werdender Nieslregen über mich legte, stand ich schließlich vor dem roten Eingangsschild des Istanbul Modern - nur damit mir kurz darauf drei äußerst hilfbereite Wachleute mitteilen konnten, dass das Museum jeden Montag geschlossen ist. Vorher einfach Öffnungszeiten zu checken, hätte mir einen zwei Stunden Weg erspart. Man lernt fürs Leben. Immerhin befand sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Ausstellung von Salvador Dali - also gönnte ich mir stattdessen eine gehörige Portion Surrealismus. Die Austellung war stilecht im Tophane Palast untergebracht, mit hohen, gewölbten Decken. Allerdings erwarteten mich dort nicht die großformatigen Malereien, die ich dort vermutet hatte. Keines der berühmten Dali Motive - keine zerflossenen Uhren, keine Schubladenmenschen. Stattdessen aber sehr interessante, surreale Aquarelle und Mischtechniken, Drucke und Zeichnungen. Vor einigen Bild habe ich mich wunderbar geekelt, andere haben mich dazu gebracht, lauthals zu lachen (ein Gesicht, dass die Hauthülle eines anderen Gesichtes isst), wieder andere waren so faszinierend gemalt, dass ich sie minutenlang anstarren und Dalis Fertigkeiten bewundern musste. Auf jeden Fall eine gelungene, wenn auch kleine Ausstellung.
Die übrige Zeit bis zur Sprachschule tigerte ich in der Umgebung herum, besichtigte zwei Moscheen und fand hinter der einen von ihnen einen verfallenen, alten Hamam, durch dessen Fenster ich spähte. Ein schöner langer Tag.

Der verfallene Hamam, den ich gefunden hab
Die Ausstellung im Tophane Palast
Die Ausstellung von innen


Sonntag, 8. Januar 2012

Übertreib mal nicht!

Dass Türken generell einen Hang zum Pompösen, zur Übertreibung haben, ist eine Behauptung, die ich unbelegt im Raum stehen lassen möchte. Allein - der Blick auf die gigantischen Häuserschluchten der Stadt; der atemberaubende Blick auf den Bosporus, wenn der Metrobus über die Bosporus Bridge fährt, über den mächtigen Fluss, der die Stadt und die Kontinente teilt, über dessen Wellen die Möwen tanzen, während Fähren das satte Blau durchbrechen und mächtige Moscheen sich an seinem Ufer gen Himmel ragen; ein Anblick so schön, dass sich im Bus alle Köpfe Richtung Fenster drehen, sobald der Bus die Brücke passiert; all das - die pure Übertreibung. Atemberaubend, immer wieder.Einen Hang zur Übertreibung, Pomp und Kitsch (insbesondere letztes) lässt sich in vielen türkischen Inneneinrichtung wiederfindet (schöne Grüße vom zwei Meter großen, blickenden Plastiktannenbaum, der mich gerade von der anderen Seite des Zimmers anlächelt). Ein Musterbeispiel für Übertreibung habe ich gestern besichtigt. Die Cevahir Shopping Mall in Şişli, Istanbul ist laut Wikipedia das zweitgrößte Einkaufszentrum in Europa. Auf 420.000 Quadratmetern lassen sich 280 Geschäfte, 34 Fast-Food-Restaurants und 14  Restaurants finden, außerdem 13 Kinos. Das ganze glitzernd und blickt wie ein überdimensionaler Kronleuchter. Neben hellen materialien, viel Glas, viel Stahl wird dieser Eindruck von Glitzerbeleuchtung an den Decken unterstrichen. Am zentralen Glasdach des Gebäudes prangt außerdem eine Uhr mit einem Durchmesser von fast 40 Metern, die allerdings stillstand und deren Funktionstüchtigkeit ich aufgrund der Überlange des Minutenzeigers, der sich nicht an den Gebäudeecken vorbeizubewegen scheinen lässt, in Frage stellen möchte. All das: protzig. Einen Hauch übertrieben. Dann aber kam ich in den hinteren Teil des Centers - und stand plötzlich mitten in einem blickend, bunten Freizeitcenter. Knarschend ruckelte eine Indoor-Achterbahn in Hai-Optik an mir vorbei. Es knallte und summte aus den Spielautomaten, die Schreie von den Insassen des Free-Fall-Towers hingen in der Luft. So weit das Auge reichte: Spielautomaten und Fahrgeschäfte, blickende Lichter, Leuchtreklame. Die ganze Aufmachung: Gigantisch und groß, dass ich den Mund kaum zubekommen habe. Ein übertriebener Indoorfreizeitpark, in einem übertriebenen Einkaufszentrum. 

Die Indoor-Achterbahn ist nicht die einzige Fahrattraktion. Außerdem gab es eine Krake, eine Schiffschaukel, Karussels, Hüfburgen, Schaukeln, Autosscooter und eine Vielzahl anderer Fahrgeschäfte

Freitag, 6. Januar 2012

Neues Jahr

Das Jahr 2012 hat begonnen und ich habe es stilecht auf dem Bosporus zwischen dem asiatischen und dem europäischen Kontinent begannen. Bei sternenklarer Nacht sind wir flusseinwärts den Bosporus hochgefahren, unter der blauerleuchteten Bosporus Bridge vorbei, immer die funkelnde Skyline der Millionenmetropole vor Augen. Das Schiff war eine Fähre, wie sie tagtäglich den Bosporus überqueren, um die Istanbuler vom einen zum anderen Kontinent zu bringen. Im unteren Stockwerk waren bei roter Beleuchtung und lauter Partymusik Sitzplätze zu finden, auf dem oberen Stockwerk Ruhe und der Ausblick über die funkelnde Stadt. Außerdem gab es eine Bar mit freien Getränken - was den Alkoholpegel in kürzester Zeit rasant ansteigen ließ. Gen Ende nahm die Zahl der Snapsleichen denn auch bedenklich zu: Auf dem oberen Deck sammelten sich die Gäste, die Dank erhöhter Alkoholzufuhr nicht mehr mitfeiern konnten und kurz vor Ende waren die Barmänner so betrunken, dass sie fast sämtlich eingeschlafen sind.Größtes Manko der Party war allerdings das nicht Vorhandensein einer richtigen Tanzfläche - getanzt wurde zwischen den Sitzreihen im unteren Deck und die sagenhafte Anzahl von zwei Toiletten (!) auf dem ganzen Schiff. Bei dreihundert Gästen. Ich denke jeder kann sich problemlos die Warteschlange vor der Frauentoilette ausmalen. 

An den Urlaubstagen nach derm Jahreswechsel hat mich Kay in Istanbul besucht und wir haben gemeinsam Istanbul erkundet. Bei der Gelegenheit konnte ich feststellen, dass mein Türkisch nicht so schlecht ist, wie ich es befürchtet hatte. tatsächlich war ich fähig, auf dem Grand Bazar, dem berühmten, traditionsreichen Basar im Touristenviertel Sultanahmet, gute Preise auzuhandeln. Und die Händler haben sich jedes Mal sehr erstaunt gezeigt, wen ich mit ihnen Türkisch geredet und ihnen erzählt habe, dass ich als Englischlehrerin arbeite und für eine Weile in Istanul wohne. Außerdem bin ich nach zwei Monaten Verlaufen und Verfahren fähig, mir in dem Gewusel, das sich hier öffentlicher Nahverkehr schimpft, meinen Weg zu finden. das ist bei dem reichhaltigen Angebot an Bussen, Minibüssen, Metrobüssen, der Metro, Zügen, Taxis, Fähren, der Tünel, Straßenbahnen und Dolmusen (Sammeltaxis) gar nicht so einfach.

Unterwegs in der Stadt:

Der Fähranleger in Kadiköy bei Nacht. Der weiß-rote Ballon ist eine Aussichtplattform für Touristen
Ebenfalls der Fähranleger in Kadiköy


Bekannte Moschee neben dem Gewürzbasar bei Nacht
Gewürzhändler in Kadiköy


Fischhändler in Kadiköy
Pause machen, cay trinken
Oliven in Kadiköy: Was für eine frische und bunte Auswahl
Der berühmte Taksim Square. Bei Nacht, mit typischer Beleuchtung
Händler in Kadiköy
Käsehändler in Kadiköy
Gewürzladen in Kadiköy