Sonntag, 8. Januar 2012

Übertreib mal nicht!

Dass Türken generell einen Hang zum Pompösen, zur Übertreibung haben, ist eine Behauptung, die ich unbelegt im Raum stehen lassen möchte. Allein - der Blick auf die gigantischen Häuserschluchten der Stadt; der atemberaubende Blick auf den Bosporus, wenn der Metrobus über die Bosporus Bridge fährt, über den mächtigen Fluss, der die Stadt und die Kontinente teilt, über dessen Wellen die Möwen tanzen, während Fähren das satte Blau durchbrechen und mächtige Moscheen sich an seinem Ufer gen Himmel ragen; ein Anblick so schön, dass sich im Bus alle Köpfe Richtung Fenster drehen, sobald der Bus die Brücke passiert; all das - die pure Übertreibung. Atemberaubend, immer wieder.Einen Hang zur Übertreibung, Pomp und Kitsch (insbesondere letztes) lässt sich in vielen türkischen Inneneinrichtung wiederfindet (schöne Grüße vom zwei Meter großen, blickenden Plastiktannenbaum, der mich gerade von der anderen Seite des Zimmers anlächelt). Ein Musterbeispiel für Übertreibung habe ich gestern besichtigt. Die Cevahir Shopping Mall in Şişli, Istanbul ist laut Wikipedia das zweitgrößte Einkaufszentrum in Europa. Auf 420.000 Quadratmetern lassen sich 280 Geschäfte, 34 Fast-Food-Restaurants und 14  Restaurants finden, außerdem 13 Kinos. Das ganze glitzernd und blickt wie ein überdimensionaler Kronleuchter. Neben hellen materialien, viel Glas, viel Stahl wird dieser Eindruck von Glitzerbeleuchtung an den Decken unterstrichen. Am zentralen Glasdach des Gebäudes prangt außerdem eine Uhr mit einem Durchmesser von fast 40 Metern, die allerdings stillstand und deren Funktionstüchtigkeit ich aufgrund der Überlange des Minutenzeigers, der sich nicht an den Gebäudeecken vorbeizubewegen scheinen lässt, in Frage stellen möchte. All das: protzig. Einen Hauch übertrieben. Dann aber kam ich in den hinteren Teil des Centers - und stand plötzlich mitten in einem blickend, bunten Freizeitcenter. Knarschend ruckelte eine Indoor-Achterbahn in Hai-Optik an mir vorbei. Es knallte und summte aus den Spielautomaten, die Schreie von den Insassen des Free-Fall-Towers hingen in der Luft. So weit das Auge reichte: Spielautomaten und Fahrgeschäfte, blickende Lichter, Leuchtreklame. Die ganze Aufmachung: Gigantisch und groß, dass ich den Mund kaum zubekommen habe. Ein übertriebener Indoorfreizeitpark, in einem übertriebenen Einkaufszentrum. 

Die Indoor-Achterbahn ist nicht die einzige Fahrattraktion. Außerdem gab es eine Krake, eine Schiffschaukel, Karussels, Hüfburgen, Schaukeln, Autosscooter und eine Vielzahl anderer Fahrgeschäfte

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