Dienstag, 31. Januar 2012

Auf nach Athen

Morgen bin ich seit drei Monaten in der Türkei und es ist fast unheimlich, wie schnell die Zeit vergangen ist. Und pünktlich zum Ende der 90 Tage musste ich das Land verlassen, so will es das Visumsrecht der Türkei. Eine gute Gelegenheit also, um einen Kurztrip nach Griechenland zu unternehmen, genauer: Nach Athen. Traurige Nebenwahrheit: Ich habe mehr Zeit im Reisebus, als in Athen selbst verbracht. Und noch ärgerlicher: Ich hätte eine ganze Woche in Griechenlands Hauptstadt verbringen können, wenn meine Kollegen es für nötig befunden hätten, mir mitzuteilen, dass ich in dieser Woche frei habe. Es sind nämlich gleichzeitig Schulferien in der Türkei. Sei's drum: Ich habe einen kurzen Kurztrip nach Athen unternommen.

Die Fahrt hat immerhin 16 Stunden gedauert, war allerdings einigermaßen angenehm, denn die meisten Insassen sind direkt hinter der griechischen Grenze ausgestiegen (nicht viele setzten sich freiwillig für eine, das Sitzfleisch überfordernde Anzahl von Stunden in einen Reisebus). Für die Nacht waren dann nur noch fünf Leute plus Personal an Bord und ich konnte mich auf drei Sitzplätze ausstrecken. Von einer bequemen Liegeposition zu sprechen, wäre dennoch glatt gelogen. Aber apropos Grenze: Die wahren Vorzüge der Grenzfreiheit in der EU wird einem bewusst, wenn man von der Türkei nach Griechenland fährt. Die ganze Passkontrolle hat weit über eine Stunde gedauert: Alle Passagiere mussten aussteigen (bei gefühlten Minus 10 Grad und scharfem Wind), ihre Pässe abgeben, in der Kälte warten und wieder einsteigen. Das ganze Prozedere wartete nicht nur an der türkischen, sondern auch an der griechischen Grenze auf uns...

Auf der Akropolis
In Athen verlief ich mich als erstes, wohl weil ich in einem Anflug von Verwirrtheit die Metro in die falsche Richtung nahm. Sich in Athen zurechtzufinden war dann aber doch leichter als erwartet: Mit der Metro kommt man zu allen wichtigen Plätzen in der Innenstadt und mit drei verschiedenen Linien ist deren Angebot gut überschaubar. Ich legte eine kurze Pause am Syntagma-Platz ein und fuhr dann mit einem Touri-Bus zur Akropolis hinauf. Das Wetter: Eine graue Brühe. Immerhin nieselte es nur dann und wann, ohne dabei in einen ausgewachsenen Regenschauen überzugehen. Dank des bewölkten Himmels war der Ausblick nicht so berauschend wie üblich, aber dennoch beeindruckend. Durchbrochen von Bergen erstreckt sich in alle Richtungen das lückenlose Häusermeer Athens.
Um die Akrpolis herum lässt sich eine Vielzahl weiterer Ausgrabungsstätten wiederfinden und ich verbrachte zwei Stunden damit, zwischen jahrtausende Alten Ruinen umherzuspazieren und schoss dabei an die hundert Fotos. 
Auf dem Weg zu meinem Mittagessen fiel es mir zum ersten Mal auf. Es war zwei Uhr und die Glocke der kleinen Kirche läutete die Uhrzeit und ganz plötzlich wurde mir klar: Hier würde ich keinen Muezzin rufen hören. So seltsam es klingt: Obwohl ich erst seit drei Monaten in Istanbul bin, habe ich die Stadt bereits vermisst. Ich habe dann und wann aus Versehen versucht, türkisch mit den Griechen zu sprechen, weil ich mich schon so sehr an die geläufigen Redewendungen aus dem türkischen gewöhnt habe. 
Griechen und Türken sind sich indes so unähnlich nicht - auch wenn beide es ungern offen zugeben. Das Zusammenleben der beiden Völker für hunderte von Jahren hat ihre Spuren hinterlassen. Am deutlichsten wird das beim Essen. Die griechische und türkische Küche sind sich sehr ähnlich. Bestelt man beispielsweise Suflaki mit Hühnchenfleisch, dann bekommt man Hähnchen Kebab. Auch auf den Straßen wird verkauft, was für mich aus dem Straßenbild Istanbuls nicht wegzudenken ist: Röstkastanien, Mais und ein Simit-ähnlicher Teigkringel aus weichem Weißbrot, das ein bisschen süßlicher und fluffiger ist als der Simit. Selbst das traditionell türkische Wintergetränk Selap (schmeckt wie flüssiger Milchreis), lässt sich auf den Straßen wiederfinden. Und über die Ähnlichkeit von Ouzo und Raki muss kein Wort mehr verloren werden. 
In den Straßen von Athen
Den restlichen Tag über bin ich mit dem Touribus an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten vorbeigefahren, bin ein bisschen durch die Straßen gewandert, habe mich mit einigen Griechen unterhalten und bin dann zu meinem Host gefahren. Ich hatte das Glück, die Nacht bei einem wunderbaren Host namens Aris zu verbringen. Ein sehr interessanter junger Grieche, der selbst schon für mehrere Jahre in England und Japan gelebt hat. Er ist die Sorte Mensch, mit denen man sich auf Anhieb versteht und wir haben lange geredet, sind gemeinsam ein Bier trinken gegangen und er hat mir auf einem Nachtspaziergang die schönsten Plätze in seiner Nachbarschaft gezeigt. Nach dem Frühstück am nächsten Morgen musste ich dann leider schon wieder gehen und habe mich wirklich geärgert, nur eine solch kurze Zeit in Athen verbringen zu können.
Das Parlament und ein Wachsoldat
Am Sonntag habe ich das Ärchaologische Museum besucht. Sicherlich sehr interessant, aber irgendwie auch ermüdend. Ich musste mir immer wieder vor Augen halten, dass die grob zerstörten Marmorbrocken vor meinen Augen ein jahrtausende altes Kulturerbe darstellen. Aber spätestens in der schier unendlichen Ausstellung von antiken Vasen (ungelogen: aberhunderte!), geriet ich an die Grenzen meines Aufmerksamkeitsvermögens. Stattdessen spazierte ich noch etwas durch die Stadt, sah mir das griechische Parlament und die "Evzonen" genannten Wachsoldaten an; lief durch den Nationalpark und durch das Viertel Pera und schlussendlich zurück zu meiner Busstation. 

Beim Aussteigen in Istanbul fühlte ich mich merkwürdig heimisch und war froh, wieder zurück zu sein. In Istanbul hat es seit Freitag allerdings nicht zu schneien aufgehört und die ganze Stadt ist zugeschneit. Die Verwendung und Funktion von Streusalz scheint den Türken nicht geläufig zu sein. das Haus zu verlassen ist im Augenblick eine anstregende und nervenaufreiende Angelegenheit, einfach weil man keinen Schritt tun kann, ohne nicht Gefahr zu laufen, sich auf die Nase zu legen...
Im Stadtviertel Pera

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