Mittwoch, 15. Februar 2012

Nervenkitzel

Habe mich auf das ultimative Abenteuer eingelassen. Purer Nervenkitzel. Herzklopfen inklusive. Ein Friseurbesuch in Istanbul!
Meine grundlegenden Sprachkenntnisse griffen hier nicht - wer lernt schon "Stufen schneiden, aber nicht zu kurz"  im Grundkurs? Eben. Erklären musste ich meine Wunschvorstellungen mit den Händen.

Folgende Szenerie: Ich forme mit dem Mittel- und Zeigefinger eine Schere und mache an der richtigen Stelle (nur die Haarspitzen) Schnipp-Schnapp. Deute dann auf das restliche Haar und mache eine wegwerfende Handbewegung: Hier nicht. Stufen sollen rauswachsen! 
Ich: Schüttel energisch den Kopf um das Nein zu untersreichen. 
Der Friseur nickt verständnisvoll. 
Ich: Wieder Schnittbewegungen an den Spitzen.
Er nickt wieder.
Wir sind uns einig.
Was folgt ist eine lebhafte Zeichendiskussion, ob ich mir vorher die Haare waschen lassen muss oder nicht. Ich mache ein wichtiges Gesicht, deute auf die Uhr und sage: "Ich habe nur dreißig Minuten." Mein Friseur reagiert mit der typischen Erwiderungsgeste all jener, die mehr als genug Zeit haben: "Kein Problem. Schaffen wir."
Das Waschen ist schnell erledigt, doch nach dem ersten Schnitt hält er mir erwartungsvoll meine Haarspitzen unter die Nase und wartet auf meine Zustimmung. So ok? Ich nicke - wenn nicht, wäre es ohnehin zu spät. Das Spiel wiederholt sich: Er schneidet und hält mir das Ergebnis unter die Nase, solange bis in seiner Handfläche nur noch millimeterlange Fitzelchen liegen. Ich kämpfe meine Armbanduhr unter dem Überwurf heraus und atme auf. Das ging schnell. Doch da hatte mein Friseur auch den Föhn noch nicht angesetzt. In Sachen Sorgfalt können hier deutsche Friseure definitiv etwas lernen - was nun folgt ist eine Haartrocknung mit nie dagwesener Hingabe, nur unterbrochen von seiner regelmäßig wiederkehrenden Frage, was ich denn nun trinken möchte. Dass ich getränktechnisch vollkommen wunschlos bin, macht ihn ganz kirre, verstößt es doch gegen den übermächtigen türkischen Servicegeist. Schließlich mischt sich auch die Besitzerin ein und versucht mir ein Glas Cay anzudrehen. Die stämmige Frau in kräftigen Farben hat als Haupthaar einen rosanen Büschel, geformt wie ein Wattebausch samt einem ordentlich geföhntem Pony, der ausschaut als hinge ihr eine umgedrehte Regenrinne im Gesicht. Sie will mich überreden meinen Pony schneiden zu lassen. Während ich wild gestikulierend ablehne, versuche ich nicht auf ihren Pony zu starren. 
Dann rennt die Zeit und wird knapp und ein Blick in den Spiegel sagt mir, dass er zehn Minuten gebraucht hat um gut ein Drittel meines Haares zu trocknen. Dickes Haar hin oder her - mir reichen gewöhnlich fünf. Er macht allerdings auch keine Anstalten, sich zu beeilen. Ich schaue energisch auf die Uhr und vergrößere meine Geste, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. "Noch zehn Minuten!" sage ich, während er meinen Kopf nach hinten zerrt. Er hat die Ruhe weg, nickt nur, föhnt weiter. Strähne für Strähne. "Ich muss meinen Zug bekommen!" Ich rutschte auf dem Stuhl umher und überlege, wie es aussieht mit halb geföhnten Haupthaar aus dem Salon zu stürmen. Ich starre penetranter auf die Uhr und er resigniert und erkennt meinen Zeitdruck an. Kurz darauf wird die Kollegin von einer Kundin abkommandiert und schließlich zerren beide energisch an meinem Haar und föhnen es voller Inbrunst. Ich darf erst aufstehen, als es perfekt liegt.

Außerdem ist das alles unschlagbar günstig gewesen. Ich habe 15 TL, umgerechnet also weniger als 7 Euro für meinen Schnitt bezahlt.

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